Globalisierung der Religionen

In der gegenwärtigen Diskussion um die Globalisierung - nimmt man diesen Ausdruck neutral im Sinne der Vernetzung - scheint mir die Globalisierung der Religionen zu kurz zu kommen. Einmal hat die Zunahme der Mobilität dazu geführt, dass viele der früher religiös homogenen Gegenden heterogen, wenn auch in verschiedenem Masse, geworden sind. Zum anderen sind durch die Zunahme des Reiseverkehrs zwischen Ländern unterschiedlicher religiöser Prägung die Religionen in einem früher nicht gekannten Mass einander näher gekommen. Dieser Trend wird mit grosser Wahrscheinlichkeit weiter zunehmen. Als Christen müssen wir uns ihm stellen. Er hat bei uns vielfach zu einer Neubeurteilung der nichtchristlichen Religionen geführt, die ich nur begrüssen kann: man lernt neue Seiten anderer Religionen kennen und kann alte Vorurteile abbauen.

Der nun begonnene Dialog zwischen christlichen und nichtchristlichen Religionen hat,in einer Zeit abnehmender Attraktion der etablierten Kirchen, so manche Kirchenmitglieder verunsichert oder sie dazu geführt, andere Religionen nicht nur rechtlich, sondern auch inhaltlich als äquivalent mit dem Christentum anzusehen. Mir scheint aber, dass ein Christ - gleich welcher Konfession - zwar unbedingt tolerant, aber nicht neutral in einem solchen Dialog sein kann. Für ihn, der sich sicher in vielen ethischen Stellungnahmen eines Sinnes mit seinem Dialogpartner weiss, können unsere grundlegenden, etwa im Nicaenum ausgesprochenen Glaubensartikel, zu denen wir uns ja bekennen, kein Verhandlungsgegenstand sein; denn mit ihrem Aufgeben würde sich das Christentum selbst aufheben.

Beim interreligiösen Dialog ist mir nicht nur der gute Wille zum Verstehen wichtig, sondern vor allem die Gründung im Glauben, die ja erst einen Dialog im eigentlichen Sinne möglich macht.

Mein Glaube ist wesentlich geprägt durch die Lektüre von Reinhold Niebuhr ("The Nature and Destiny of Man") und C.S. Lewis ("Mere Christianity"). Allerdings meine ich, dass man sich nicht auf dem Glauben ausruhen, sondern sich den Einwänden gegen ihn stellen sollte..

Alexander v. Graevenitz, M.D., Dept. of Medical Microbiology, University of Zurich