Ein langweiliger Christ

Ich bin ein eher langweiliger Mensch. Und ich nenne mich einen Christen. Brav und meistens freundlich, so sollten die doch sein, und deshalb eben auch langweilig. Sind Christen Leute, die die Freiheit der Lebensmöglichkeiten nicht ertragen, die sich deshalb einen engen Rahmen geben lassen und die darauf auch noch stolz sind?

Das mag für einige zutreffen. Sie werden zu den frommen Gutmenschen, von denen man sich lieber etwas fern hält. Wer religiösen Glauben lebt, so scheint es, schränkt seine Freiheit ein, weil er sich ja moralisch gut verhalten und sich deshalb vieles von dem abschminken muss, was wirklich Spass macht.

Was macht Spass? Das muss jede und jeder für sich selbst beantworten. Ausgang mit Freunden, tanzen, reisen, wandern, Sport oder bungi jumping. Alles moralisch unbedenklich. Oder ist es der Seitensprung, der Luxuskonsum, das Unerlaubte, das wirklich Spass macht? Frei macht das kaum, denn es ruft nach mehr. Der Spass der Vergnügungsgesellschaft kann es auch nicht sein, denn der wird gelegentlich langweilig, und wir suchen nach dem, was uns wirklich bereichert.

Diese Suche verändert den Blickwinkel. Das tägliche Leben um mich herum wird spannend, sogar wenn es mühsam ist. Dieses Leben habe ich nicht unter Kontrolle, es tritt mir entgegen, ich kann mich ihm anschliessen, mitgehen. Nicht mich überall anpassen, sondern ein aktiver Teil dieses Lebens sein. So tritt mir Gott entgegen, und ich versuche, ein bewusster Teil seines Lebens zu werden.

Das schränkt meine wirkliche Freiheit nicht ein. Ich dürfte auch weniger langweilig sein, als ich es bin. Indem ich mehr Lebensmöglichkeiten erfahre, komme ich stärker ins Staunen über dieses Leben.

Aber ich habe meine Begrenzungen, die zur Langeweile führen. Wie ich damit umgehe, wäre ein weiteres Thema ... Kurz gefasst, rettet mich Vergebung davor, dass ich der Grösste sein müssste. Ich kann von dem ausgehen, was ich bin, und durch das Mitleben mich weiter bewegen, mit Spass am Leben. Nun muss ich auch noch anfügen, dass mir das nur zeitweise einigermassen gelingt. Ich bin unterwegs. Du auch?

Werner Stahel
Seminar für Statistik, D-MATH, ETH Zürich